Rosettis Klaviermusik
Foto: Ernst Mayer
Es ist nicht nur die Musik, die ein Sittenbild einer historischen Epoche beschreibt, wie man es
bei den Rosetti-Festtagen erleben kann, sondern
auch die Kunst und Literatur. In Rosettis Zeit
nannten die als Vorbilder geltenden französischen Maler ihre Bilder „Fêtes galantes“ (galante Feste). Da dies die Musik beeinflusste und
insbesondere die Lieder, wählten die Sopranistin
Laura Verena Incko und ihr Klavierbegleiter Kilian Sprau dieses Schlagwort als Motto für ihre
Liedermatinée in der Kulturetage des Schlosses
Reimlingen.
Galanterie ist zu dieser Zeit das formvollendete Verhalten, das Herrn gegenüber Damen an den
Tag legen sollen. Das Ganze verlegt man als Schäferpoesie aus den galanten Räumen in die Natur
und pflegt in einer imaginären idealistischen Landschaft eine sogenannte „Schäferpoesie“, oft mit
verbrämter Erotik gewürzt. So spielen bei den ausgewählten Mozart-Liedern Trennungs- und Abschiedsschmerz der Liebenden eine große Rolle, wenn er sie vermisst – nicht nur um ihr heimlich
beim Baden zuzusehen, sondern auch um ihr eine Blume an den Busen zu stecken. Oder dass Luise die Liebesbriefe in die Flammen wirft, denn „Er sang nicht nur mir allein.“ Eine Träne wird
beim Abschied „im Diadem die schönste Perle sein“. Solche poetischen Ergüsse damaliger Dichter sind für Mozart Anregung zu emotionale Musik, die bei ihm als Opernkoryphäe immer wie
Arien klingen, wobei die Klavierbegleitung gleichrangig neben dem Gesang der Sopranistin zur
Geltung kommt.
Bei Rosettis Liedern bekommt das Klavier dann trotz ähnlicher Manieren schon eher eine Begleitfunktion mit ausschmückenden Kommentaren. Neben lyrischen Naturschilderungen („Mailied“)
spielt auch hier die Liebe eine Rolle, wenn der flehende Liebhaber an Babetts Tür um Einlass bittet und nach spröder Unentschlossenheit der Angebeteten sie doch erst am Morgen wieder verlässt. „Das Leben ist ein Traum“, belehrt Rosettis Dichter, doch das seien alles sehr gewöhnliche
Geschichten, und die Träume seien schnell verweht.
Bei Ignaz von Beeke‘s Liedern merkt man, dass er – ähnlich wie Mozart - ein Pianist war, und
wie dieser dem Klavier Gleichrang einräumte, teilweise noch weiter an die romantischen Liedkomponisten der Romantik heranrückt und, wie Franz Schubert, oft noch dessen eigenständigen
Part hervorhebt. Eine hervorragende Gelegenheit für Kilian Sprau seine Kunstfertigkeit als gestaltender Begleiter herauszustellen und, ohne die Sängerin zurückzudrängen, mit seinen solistischen
Stellen zu glänzen. Er erläutert auch in sympathischer Weise die Inhalte der Lieder und stellt die
anwesende Stefanie Schenk vor, die für die Digitalisierung der handgeschriebenen Noten von
Beeke verantwortlich gewesen sei. Die Themen sind bei dem trauernde Mütter und wieder die
menschlichen Zuneigungen.
Nun kommt auch wirklich Franz Schubert, der Begründer der deutschen Liedromantik, der die
Vorzüge seiner Vorgänger vereinigt und zu einer Marke macht, wobei bereits die Klaviereinleitung die Stimmung vorbereitet, die Strophenform wird teilweise aufgelöst und durchkomponiert.
Ihre Vorzüge demonstriert besonders auch hier Verena Incko, wenn sie unsentimental, ohne Pathos mit hell klingender Stimme ihre Gesangs- und Vortragskünste zeigt.
Einen großen musikalischen Schritt weiter geht Hugo Wolf mit seinen spätromantischen Harmonievorstellungen, kehrt aber auch wieder in die Schäferidylle zurück mit erotischen Anzüglichkeiten, die Claude Debussy in musikalischer Individualität noch steigert, immer im Bemühen, die
schlüpfrigen und anrüchigen Themen hinter der Kunst zu verbergen. Dafür wählt er gerne Texte
mit Figuren der Comedia dell Arte, der derben italienischen Volkskomödie. Die Zuhörer amüsieren sich köstlich und danken mit herzlichem Beifall. (emy)
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